Peter Unterthurner

"Ich freue mich als Künstler vor allem darüber, wenn ich ein Bild schaffe, das einem Einzelnen oder einer Familie besonders viel bedeutet und deren Leben bereichert."

 

Lieber Peter, für Alpenmadonna bist Du nach Italien, Österreich, Deutschland, Schweiz und Slovenien gereist und hast 40 Skulpturen in einigen der besten Sammlungen Europas fotografiert. Welches Bild war das erste?

Das erste Bild war die Pacher Madonna aus dem Diözesanmuseum in Brixen. Genau genommen war sie damals noch ein Eindruck, ein inneres Bild. Ich war als Besucher im Museum und ein anderer Museumsbesucher löste versehentlich den Blitz auf seinem Smartphone aus. Ich stand gegenüber. Im Gegenlicht schien die Skulptur plötzlich lebendig. Dieser intensive Eindruck war der Beginn der Bildserie.

Und dann begann die Reise?

Dann begann eine lange Recherche, Hintergrundgespräche, viele Anfragen und viele Vorgespräche. Ich hatte das große Glück, dass sehr viele Menschen an Alpenmadonna glaubten, mir viele Türen geöffnet haben und sehr besondere Zugänge ermöglicht haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Mich beeindruckt sehr, dass Deine Bilder und auch die Skulpturen so unterschiedlich sind, obwohl alle das selbe Thema zeigen, Maria Mutter Gottes.

Das ist wirklich erstaunlich. Einige der Skulpturen die ich fotografiert habe entstanden vor über 800 Jahren, die allermeisten stammen aus dem Mittelalter. Maria wurde immer wieder neu interpretiert. In den Bildern zeigen sich natürlich die großen kunsthistorischen Epochenwechsel von der romanischen zur gotischen Kunst, bis hinein in den Frühbarock. Aber diese großen Strömungen alleine erklären diese Vielfalt nicht. Jeder dieser Künstler stieg hinab in seine Seele und hob die tiefsten Empfindungen, die stärksten Sehnsüchte die in ihm steckten. Daraus formten sie diese Blicke, diese Haltungen, diese Antlitze. Maria wurde zu einer Projektionsfläche und diese Empfindungen so für viele von uns Menschen zugänglich.

Das sind also auch Bilder tiefster menschlicher Empfindung.

Ich mag diese Vorstellung. Einige dieser Blicke sind lieblich, viele spenden uns Trost, andere sind sehr streng...Worte reichen hier nicht aus, um zu beschreiben was wir sehen können. Und vielleicht noch wichtiger, Worte reichen nicht aus, um zu beschreiben, was wir Betrachterinnen und Betrachter empfinden können, wenn wir uns auf diese Bilder einlassen. Bei Marienbildern ging es ja nie um den Traum eines einzelnen Künstlers. Es geht um einen Traum den viele Menschen träumen. Einige Künstler schaffen es dann die Flüchtigkeit eines Traumes in Holz zu schlagen...

…oder in einer Fotografie einzufangen. Du sprachst vorhin davon, dass in diesen Skulpturen eine Idee über 800 Jahre immer wieder neu interpretiert wurde. Du reihst Dich in diese Tradition ein, Du transformierst diese Skulpturen ja auch wieder.

In dieser Feststellung steckt ein großes Kompliment. Das nehme ich gerne an. Danke sehr. Aber es stimmt, meine Herangehensweise ist genau diese. Ich möchte ein zeitgenössisches Marienbild schaffen. Mein Medium als Künstler ist die Fotografie. Als Fotograf brauchst du zunächst etwas das du fotografieren kannst. Und so entstand eine Interpretation dieser Skulpturen die zu einem eigenständigen, neuen Bild wurden.

"In fast jedem meiner Bilder steckt das Mittelalter - zum Glück ganz ohne die Lebensumstände, die für die meisten Menschen damals galten."

In den Alpenmadonnen ist Kunst auch eine Verbindung zwischen Jahrhunderten von Menschheitsgeschichte...

Dieser Gedanke hat mich von Anfang an fasziniert. Diese Objekte sind Zeugen der Menschheitsfamilie, über Jahrhunderte hinweg. In fast jedem meiner Bilder steckt das Mittelalter - zum Glück ganz ohne die Lebensumstände, die für die meisten Menschen damals galten.

Hast Du ein Lieblingsbild?

Diese Frage stelle ich auch immer gerne. Und das Ergebnis ist meist das selbe, es gibt bei fast jedem ein Bild das besonders gut gefällt und es ist bei fast jedem ein völlig anderes. Ich mag einige Bilder sehr gerne, aber ich freue mich als Künstler vor allem darüber, wenn ich ein Bild schaffe, das einem Einzelnen oder einer Familie besonders viel bedeutet und deren Leben bereichert.

Das erklärt vielleicht auch einen anderen Aspekt von Alpenmadonna der ungewöhnlich erscheint. Viele Fotografinnen und Fotografen limitieren ihre Bilder durch Auflagen. Deine Bilder sind nicht in ihrer Stückzahl begrenzt.

Ein wichtiges Ziel meiner Arbeiten ist es Kunstwerke zu schaffen, die das Leben von vielen Menschen schöner machen. Ich finde es daher eine großartige technische Errungenschaft der Fotografie, dass sie durch Digitaldruck nicht limitiert ist.

Ein Blick in eines Deiner Bilder ist eine Möglichkeit Wünsche, Hoffnungen aber auch Sorgen zu teilen. Was wünschst Du Dir für Alpenmadonna?

Ich wünsche mir, dass diese Bilder diejenigen Menschen erreichen, die sich daran erfreuen. Und ich würde liebend gerne eine Alpenmadonna-Kapelle errichten. Hierfür bin ich noch auf der Suche nach der oder dem richtigen Partner. Melden Sie sich also gerne bei mir, wenn Sie diese Zeilen lesen und diese Idee auch so schön finden wie ich.

Peter Unterthurner hat viele Jahre in Berlin gelebt und als Redakteur für Fotografie für die Wochenzeitung DIE ZEIT und das Magazin GEO gearbeitet. Mit der Geburt seiner Zwillingstöchter ist er mit seiner Familie nach Bozen in Südtirol, Italien gezogen, wo er auch aufgewachsen ist.